... Redakteur Rainer Schulze berichtet über unsere Idee "Alleenpark Ffm"
Rainer Schulze, Redakteur bei der F.A.Z. Rhein-Main-Zeitung, hat uns in unserem Architekturbüro in Frankfurt besucht und mit uns über unsere Idee "Alleenpark Ffm" gesprochen...
Der Bericht dazu ist am 19.02.2019 in der F.A.Z. Rhein-Main-Zeitung erschienen.
Von Rainer Schulze
Neulich saß tatsächlich einmal jemand auf der Bank in der Mitte der Rothschildallee. Das ist so bemerkenswert, weil sich normalerweise dort nie jemand aufhält. Warum auch? Wer nicht ganz taub ist und keinen Appetit auf Feinstaub hat, überquert die vier- bis sechsspurige Allee mit dem breiten Grünstreifen in der Mitte lieber im Laufschritt. Ganz selten führen Leute dort ihren Hund aus. Aber alle anderen Passanten suchen so schnell wie möglich das Weite.
Der Alleenring geht auf Franz Adickes zurück, der von 1891 bis 1912 Frankfurter Stadtoberhaupt war. Der weitsichtige Oberbürgermeister ließ eine Ringstraße anlegen, die den Stadtkern vom Hauptbahnhof bis zum Ostbahnhof einmal umspannt. Dieser – nach dem Anlagenring – zweite Ring sollte die geschlossen gebauten Wohnviertel von den Vororten trennen. Die breite Allee, die über weite Strecken einen Grünstreifen in der Mitte hat, wird von Radialstraßen wie der Eckenheimer und der Friedberger Landstraße geschnitten. Als Kernstück des Alleenrings gelten heute die besonders starkbefahrenen nördlichen Abschnitte: Miquel-, Adickes-, Nibelungen- und Rothschildallee.
Der dichte Autoverkehr macht den Alleenring heute für Fußgänger und Radfahrer zu einem Unort erster Güte. Verglichen mit dem ersten Ring, sprich dem Anlagenring, ist der Grünstreifen schmaler, außerdem ist er anders als dort auf beiden Seiten von mehreren Fahrspuren eingefasst, die als Barrieren wirken. Das wollen zwei Architektinnen nun ändern. Ihre Idee: Aus dem Alleenring soll ein Alleenpark werden. Mit genügend Platz für Autos und eine Ringbahn. Und mit hoher Aufenthaltsqualität für Fußgänger und Radfahrer.
Beatrix Baltabol und Rebecca Faller haben sich im Studium kennengelernt. Die eine ist Architektin, die andere Landschaftsarchitektin. Inzwischen arbeiten sie auch zusammen in ihrem Büro "Drei Eins". Für ihre Master-Arbeit "Stadtachsen (re-)urbanisieren und Grün neu vernetzen" haben sie die Frankfurter Radial- und Ringstraßen genauer untersucht. Sie haben das Verkehrsaufkommen gemessen und sich Gedanken gemacht, wie der Raum freundlicher gestaltet werden könnte. "Wir wollen den Stadtachsen mehr Aufenthaltsqualität geben, ohne dass der Verkehr zusammenbricht", sagen sie.
Heute hat der Alleenring zwei bis vier Spuren je Fahrtrichtung. Hinzu kommen Parkplätze und Abbiegespuren. "Der mittlere Grünzug wird heute kaum genutzt, weil er unattraktiv ist", meinen Faller und Baltabol. Kern ihrer Überlegungen ist die Idee, die bisher nach Fahrtrichtung getrennt geführten Spuren auf der südlichen Seite des Alleenrings zu bündeln und den Grünstreifen auf der gegenüberliegenden Seite bis an die Häuser und Gehwege zu verbreitern.
Die Straße soll in einer Testphase zunächst auf vier Spuren reduziert werden, die nebeneinander im Gegenverkehr verlaufen. In einer späteren Phase wollen die Architektinnen die Fahrspuren auf nur noch zwei Streifen verringern und daneben eine neue Straßenbahn als Ringbahnlinie bauen, die an mehreren Stellen die U-Bahnlinien 1, 2, 3, 4, 5, 7 und 8 kreuzt und miteinander verbindet. Die bisherige Ringbuslinie 32 hat den Nachteil, dass die Busse sehr oft im Stau stehen.
Aber muss der Autoverkehr nicht irgendwo hin? Mit rund 40.000 Fahrzeugen am Tag ist der nördliche Abschnitt des Alleenrings die meistbefahrene Straße der Stadt. Als kürzlich für den Bau einer Fernwärmeleitung die Fahrstreifen in Höhe der Nationalbibliothek reduziert wurden, kam es zu langen Staus.
Baltabol und Faller glauben, dass sich ihr Konzept nicht von heute auf morgen realisieren lässt. "Das ist eine Vision und nichts für die nächsten drei Jahre." Sie wollen den Verkehr schrittweise reduzieren und die Umgestaltung der Ringstraße mit Maßnahmen begleiten, die - wie beispielsweise ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern, reduzierte Fahrpreise oder Park-and-Ride-Plätze an Knotenpunkten - die Pendler zum Umsteigen auf Busse, Bahnen oder Fahrräder motivieren. Der reine Durchgangsverkehr mache immerhin ein Drittel des Verkehrsaufkommens auf dem Alleenring aus. Würden diese Fahrzeuge stattdessen den äußeren Autobahnring nutzen, könnte dies die Ringstraße entlasten. Der Bau des Riederwaldtunnels, der die A 66 mit der A 661 verbinden wird, macht dieses Szenario wahrscheinlicher. Er soll 2028 fertig sein.
Anstelle eines verwaisten Grünstreifens entstünde dann am Alleenring ein breites Band, das als Parklandschaft gestaltet werden könnte: mit Spiel- und Sportplätzen sowie breiten Fuß- und Fahrradwegen. Dieser Alleenpark würde durch die Ringbahngleise und Bäume von der Straße abgeschirmt. Auch hier lohnt sich ein Blick zum Anlagenring: Die Wallanlagen sind nur durch Büsche und Bäume von der weitgehend zweispurigen Straße getrennt, die zahlreichen Spielplätze werden aber dennoch rege genutzt. Ähnlich wie die Wallanlagen würde auch der Alleenpark zu einem Grünzug, der weite Teile des Stadtgebiets verbindet. Die Architektinnen hoffen, dass ihre Vision überzeugt: "Wir wollen die Leute nicht erziehen und das Autofahren verteufeln, sondern eine neue Attraktion schaffen. Das Stadtbild gewinnt dadurch."
In der Testphase wollen sich die Architektinnen auf jenen Abschnitt konzentrieren, der als "Campusmeile" bezeichnet wird, dem Namen bisher aber keine Ehre macht. Am Alleenring reihen sich nämlich drei Hochschulen aneinander: der Campus Westend der Goethe-Universität, die Frankfurt School of Finance and Management und die University of Appplied Sciences. Die Stadt will erproben, wie diese Campusmeile städtebaulich verbessert wird, und hatte gemeinsam mit den Hochschulen und der Nationalbibliothek einen Ideenwettbewerb für Studenten ausgelobt, an dem sich auch Baltabol und Faller beteiligt hatten. "Der Alleenring ist die am meisten befahrene Straße der Stadt. So lange das so ist, kann man über eine Campusmeile gar nicht reden", finden sie.
Der studentische Wettbewerb für die Campusmeile ist inzwischen entschieden, aber wie es nun weitergeht, ist nicht klar. Der Sprecher des Planungsdezernenten spricht etwas wolkig von "internen Workshops" an den Hochschulen. "Es gibt noch kein fertiges Konzept. Wir sprechen mit den Hochschulen darüber, was man übernehmen könnte." Manche Ideen seien gut, andere unrealistisch. Gut möglich, dass auch das Konzept von Baltabol und Faller auf den ersten Blick unrealistisch erscheint. Der Riederwaldtunnel könnte den Alleenring allerdings deutlich entlasten. Eine Attraktion wäre der Alleenpark ohne Frage.
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